Goethe | Der Podcast

Marcus Anhäuser, Thomas Schmuck

Warum sind diese skurrilen Stücke in Goethes Sammlung?

Drei Kuriosa, die er nicht erforscht hat.

11.08.2025 51 min

Zusammenfassung & Show Notes

In Folge 16 stellt Thomas drei außergewöhnlichen Objekten aus Goethes Besitz vor – allesamt Kuriositäten, deren ursprünglicher Zweck teils rätselhaft bleibt.

Das erste Objekt ist ein unscheinbares, aber 212 Jahre altes Stück Brot aus dem Jahr 1813, das Goethe einst erhielt. Es stammt aus der russischen Stadt Kasan und wurde von einer Kosakenmutter an ihren im Krieg gegen Napoleon kämpfenden Sohn geschickt. Über mehrere Umwege – inklusive eines Festmahls in Thüringen – landete ein Rest davon bei Goethe, der es als besondere Seltenheit aufbewahrte.

Das zweite Objekt ist deutlich makaberer: eine mumifizierte Kinderhand aus dem Bremer „Bleikeller“. Sie wurde Goethe 1804 von einem Arzt zugesandt, zusammen mit einem menschlichen Finger. Der ursprüngliche Kontext ist unklar, ein wissenschaftlicher Zweck nicht erkennbar – dennoch blieb die Hand, wie viele andere Stücke, in der Sammlung erhalten.

Zum Schluss geht es um einen schlichten Essteller, gefüllt mit grauer, staubfeiner Erde, der seit Goethes Tod 1832 unberührt in seinem Arbeitszimmer steht. Wissenschaftliche Analysen konnten weder vulkanischen Ursprung noch andere Besonderheiten nachweisen. Schmuck vermutet, dass es sich schlicht um Erde von Frühblühern handelt, die Gärtner kurz vor Goethes Tod ins Haus brachten – doch das Rätsel bleibt offen.

Die Folge beleuchtet nicht nur die Geschichten hinter diesen Objekten, sondern wirft auch Fragen auf, warum Goethe oder seine Umgebung solch skurrile Dinge aufbewahrten – und wie sie bis heute erhalten bleiben konnten.

Hinweis: Beim zweiten Objekt geht es um ein "Human Remain", also etwas von einem menschlichen Körper. Wer sich das nicht anhören will, weil es ihn zu sehr belastet, der kann über die Kapitelfunktion einfach weiter skippen.

Links (mainly Wikipedia):

Mit Musik von Natasha Gosh, Fjodor, Diego Martinez, Piscines, Ferraz via Audiio

Idee, Technik und Produktion: Marcus Anhäuser

Marcus auf
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Thomas bei der Klassik Stiftung in Weimar.
Marcus bei Riffreporter.

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Transkript

Thomas
00:00:00
Jetzt muss ich wirklich niesen.
Marcus
00:00:02
Nicht in den Teller.
Thomas
00:00:05
Ups.
Marcus
00:00:06
200 Jahre. Und dann kommt Schmuck.
Thomas
00:00:11
Ja, genau. Das wäre die Katastrophe schlichtweg.
Marcus
00:00:28
Hier sind wir wieder, der einzigartige und unvergleichliche Podcast zur Naturwissenschaft von Johann Wolfgang von Goethe. Musik Hallo und willkommen zu Folge Nummer 16 mit Thomas Schmuck, dem Kustos der naturwissenschaftlichen Sammlung im Goethe-Haus in Weimar und mit mir, Marcus Anhäuser, Wissenschaftsjournalist und Produzent des Ganzen. In dieser Folge lernen wir drei ganz eigenartige Dinge aus der Sammlung kennen. Nichts, was Goethe groß erforscht hätte. Es sind Objekte, die auf die eine oder andere skurrile Art in der Sammlung gelandet sind und von denen man ein paar Dinge weiß, aber das meiste eben nicht. Wie Thomas mit diesen Kuriosa umgeht und was er über die Dinge herausgefunden hat oder auch nicht, erfahrt ihr in dieser Folge. Ein Hinweis – Beim zweiten Objekt geht es um ein Human Remain, also etwas von einem menschlichen Körper. Wer sich das nicht anhören will, weil es ihn zu sehr belastet, der kann über die Kapitelfunktion einfach weiter skippen. Und damit steigen wir ein in diese Folge über drei Kuriosa dieser so unglaublichen Sammlung Johann Wolfgang von Goethes. Musik Musik Okay. Ja. Du wolltest mir heute was von einem Brot erzählen. Musik Einem Brot in der Sammlung.
Thomas
00:02:07
Ja. Ich dachte, wir machen ja heute eine kürzere Sendung und da erzähle ich mal was von ein paar kuriosen Dingen. Und da ist Brot. Und die anderen, die weißt du ja noch nicht. Die haben jetzt alle von mir da auf dem Tisch liegen.
Marcus
00:02:20
Ja.
Thomas
00:02:21
Wenn du dann weißt, was es ist, wirst du... Da würde man sich wundern, sagen wir mal so. Und da ist auch ein Stück Brot dabei, und zwar Brot aus Goethes Besitz.
Marcus
00:02:32
Das ist jetzt wie alt?
Thomas
00:02:33
Da muss ich jetzt rechnen, aber es ist 212 Jahre alt oder so.
Marcus
00:02:38
Nicht verschimmelt und hat sich aufgelöst?
Thomas
00:02:41
Nein, ich würde es jetzt, also essen würde ich es nicht, aber es ist nicht verschimmelt, das ist... Das ist ein bisschen wie Knäckebrot. Ich habe jetzt in der Datenbank nachgeschaut. Durchmesser 1,6 Zentimeter.
Marcus
00:02:53
Okay, also ein kleines Stück Brot.
Thomas
00:02:55
Es ist ein Stückchen Brot, es ist kein Brotlaib.
Marcus
00:02:58
Oder keine Brotscheibe.
Thomas
00:03:01
Nein, es ist auch keine Brotscheibe, damit man es sich nur vorstellen kann. Ein Bild hat, es ist ein grau-braunes Stückchen Brot. kugelförmiges Stückchen Brot, nachweislich aus Goethes Besitz. Und wir wissen, dass es aus dem Jahr 1813 stammt.
Marcus
00:03:21
Ihr wisst das? Okay. Woher wisst ihr das?
Thomas
00:03:24
Dieses Brot stammt aus dem Jahr 1813, weil es natürlich ein Begleitschreiben gibt, Und so etwas ist auch nur fast... Nein, wenn ich jetzt sage, es ist nur bei Goethe möglich, stimmt das gar nicht, weil es natürlich noch andere Brote gibt. Also es gibt, ich kenne nicht viele, aber ich vermute, dass es noch viele andere gibt. Das einzige Brot, was ich jetzt kenne in Cota, gibt es, glaube ich, auch noch eines. Aber ist eins aus dem, du müsstest jetzt lachen, aus dem Rollettmuseum in Baden bei Wien in Österreich. Guck mal, haben Sie eine Semmel aus dem Jahre 1880? glaube ich, oder jedenfalls Anfang des 19. Jahrhunderts, und die ist auch erhalten geblieben. Ich glaube, das Dokument von Schränkflation, hätte ich jetzt fast gesagt, von Bäckerbetrug, das war eine Zeit, wo es auch Bäcker umgegeben hat, Da hat man dann im Vergleich zu einer richtig großen Semmel das dann aufbewahrt, um zu zeigen, wozu Menschen fähig sind, nämlich ihre Mitbürger, um das letzte Stück Brot zu bringen. vorgelegt. Die sind halb so groß dann, wie so ein richtiges Brötchen. Ja, aber das Stück Brot hier, das hat auch eine interessante Geschichte.
Marcus
00:04:35
Ich muss erst mal fragen, du sagtest Rundkugel, ist da noch ein bisschen Rinde dran oder wieso?
Thomas
00:04:41
Nein, nein, das ist... Es ist jetzt sicher kein Gourmetstück. Wenn ich das jetzt irgendwo so rumlege und in der geowissenschaftlichen Sammlung lege, würde ich das auch, wenn man es jetzt nicht zerbröseln will, auch für ein Stück locker Gestein halten. Also ja, es ist hart. Es ist sehr porig irgendwie. Ja, es hat viele Poren, also Gas, Volumen, wie immer man das nennen möchte.
Marcus
00:05:10
Und hart ist es?
Thomas
00:05:12
Es ist sehr hart. Ich möchte natürlich jetzt nicht zu fest drauf drücken.
Marcus
00:05:15
Du könntest kurz an das Mikro so ein bisschen klopfen vielleicht.
Thomas
00:05:19
Naja, es liegt natürlich, selbstverständlich fasse ich das nicht an. Und selbstverständlich ist das ja geschützt durch ein Plastikverband. Ich kann dir gerne mal das Plastik ins Mikro klopfen. Aber wir gehen natürlich sorgsam um mit den Objektenversammlungen. Das ist ja wirklich auch etwas Fragiles. Ich meine, das hat wie viele Kriege überlebt. Allerdings. Ja, also das ist ganz erstaunlich.
Marcus
00:05:48
Okay.
Thomas
00:05:49
Warum überlebt sowas? Ja. Wo habt ihr es gefunden? Ja. Na ja, gefunden. Also Goethe hat es bekommen. Er hat es geschickt. Goethe hat es bekommen und wahrscheinlich, ich sage da jetzt mal das sozusagen Supraosa, also so nebenbei nur, wahrscheinlich ist es deswegen die naturwissenschaftliche Sammlung. Wir reden ja heute nur über Objekte der naturwissenschaftlichen Sammlung, es gibt noch andere Kurioser. gekommen, weil man wohin gibt man sowas? Also wer nimmt sowas? Die Kunstsammlung nimmt das nicht, die grafische nimmt das nicht. Auf gut Deutsch, ich bekomme dann sozusagen immer Dinge, die naja, was soll man jetzt damit genau machen? Was muss vielleicht auch noch was? Das, was wir da heute da jetzt kurz besprechen, das sind natürlich Zwar Bestandteile der naturwissenschaftlichen Sammlung Goethes, aber sie sind natürlich keine naturwissenschaftlichen Objekte in dem Sinn, dass Goethe sich mit ihnen naturwissenschaftlich beschäftigt hat. Das sind wirkliche Kuriosa, die erhalten geblieben sind, weil sie unter dem Namen Goethes im Goethe-Haus geschützt wurden. unter dieser Aura sozusagen gelegt haben.
Marcus
00:06:56
Bei 23.000 Stücken oder wie viele waren es noch insgesamt alles?
Thomas
00:07:00
Genau, genau. Gibt es halt auch schon mal so ein paar verrückte Sachen.
Marcus
00:07:02
Wirkliche Goelhuser dabei. Genau, naja klar.
Thomas
00:07:19
Wir wissen auch, wer und warum Also wer es gebacken hat und wo es gebacken wurde. Okay. Das finde ich auch interessant. Also den Namen der Bäckerin kennen wir nicht, aber wir wissen, dass es eine Mutter war, die das ihrem Sohn geschickt hat.
Marcus
00:07:33
Ja.
Thomas
00:07:33
Und wir wissen, wo, in welcher Stadt das gebacken wurde.
Marcus
00:07:37
Moment, die Mutter hat es ihrem Sohn geschickt?
Thomas
00:07:40
Genau, die Mutter hat es gebacken und ihrem Sohn geschickt. und da gibt es auch einen Text dazu, ein Beischreiben, das diese Geschichte erzählt. Ja. Das werden wir dann vielleicht kurz vorlesen, das ist nicht lange. Das ist eben die ganze Geschichte, aber ich versuche das jetzt dramaturgisch ein bisschen, ein Stück nach dem anderen zu entwickeln und auch zu entdecken sozusagen. Mutter hat sich am Sohn geschickt und der Sohn hat das, Mütter so sind, der Sohn war in der Fremde und er hat das aufgegessen, aber offensichtlich nicht ganz. genau genommen hat sie eben zweierlei Dinge geschickt, nämlich ein Stück Brot, steht dann daneben in der Beschreibung Blaugrau, weil Unkräuter mitgemalt wurden, das ist unser Stück Brot, und das zweite ein Stück Backwerk, wahrer Name, dem Schreiber unbekannt. Okay. Aber das Brot ist nicht das Backwerk.
Marcus
00:08:33
Das Backwerk ist wieder was anderes.
Thomas
00:08:35
Das nehme ich an, weil das Backwerk ja nicht erhalten geblieben ist. Wobei Brot natürlich auch ein Backwerk ist. Eines von diesen beiden ist das Brot, eines ist das Backwerk, aber ich denke, Brot ist das, was wir vor uns liegen haben. Ja. Und es kam dann eben, wurde nicht alles gegessen, kam dann dieser Rest in Goethes Haus. Wir wissen nicht, Eigentlich sonst nicht viel, außer diesem schriftlichen Beleg dazu und dass es immer halten geblieben ist. Aber interessant ist der Ort, wo es gebacken wurde. Nämlich in der Stadt Kazan, in Russland.
Marcus
00:09:11
Okay.
Thomas
00:09:12
Und das ist, finde ich, in mittleren Russland, wo auch eine Universität dann Anfang des 1900s gegründet wurde, erste Hälfte 1900, also man kann sagen, ziemlich weit weg. Es ist noch hinter Moskau, soll ich sagen. Und der Sohn und die Mutter, das muss am Don irgendwo sein, glaube ich, da hätte ich jetzt nachschauen müssen.
Marcus
00:09:38
Egal.
Thomas
00:09:39
Der Sohn und die sind, die waren jedenfalls Don-Kosaken. Und die Mutter hat das dem Sohn mitgeschickt mit der gewissen kosakischen Hemdsärmlichkeit, sage ich jetzt mal. Wie man es auch von Google kennt oder von kosakischen Selbstbeschreibungen, Selbstherstellungen. Wir können das, wir schaffen das, wir... Wir setzen uns da schon durch. Ich lese vielleicht mal diesen kurzen Text vor, wie das nämlich dann kam und wie es dann zu Göte kam. Das ist wirklich interessant.
Thomas
00:10:11
Also dieses Brot und dieses Backwerk, sagt der Text, ist aus der Stadt Kazan. Als die donsche Kosaken, so steht es wörtlich da, die donsche Kosachen aus Frankreich zurück und hier in das Quartier kamen, erhielt einer von diesen Kosachen von seiner Mutter aus Kazan einen Brief. »Worin sie ihm schrieb, dass die halbe Stadt und auch ihr Haus abgebrannt, der Vater gestorben, zwei Schwestern und ein Bruder sich verheiratet hätten und dieses Backwerk von der Hochzeit sei. Jetzt wurde erst der Vater beweindet, das Unglück der Stadt betrauert, als dann aber Schwägerschaft gestiftet, der Beutel mit dem Backwerk geöffnet und jeder Mann im Hause musste an diesem Fest mit teilnehmen.« »Geschäfte, die mich in das Haus führten«, schreibt der Schreiber, »gaben Gelegenheit, dass ich an diesem Trauer- und Freudenmal auch mit beiwohnen durfte und mit 15 Stück solchen Brots beschenkt wurde.« Muss also eine größere Schenkung gewesen sein. »Da, wie ich glaube, dieses Backwerk wegen der Entfernung, wo es gebacken worden ist, zu den größten Seltenheiten für die hiesige Gegend gehört, so bin ich so frei,« Eure Exzellenz, also Goethe, mit ein Stück untertänigst aufzuwarten. Das ist doch eine schöne Formulierung. Ich bin so frei, weil dieses, achte ich untertänigst, mit einem Stück auf. Der Brief und das Backwerk war über ein Jahr alt. Er hatte schon ganz Deutschland und Frankreich zurückgelegt Man kam jetzt auf der Retourreise in Kreuzberg, das ist in der Nähe von Eisenach, an seinen Eigentümer glücklich an. Und da schickt dann ein Herr Urban, der das in Kreuzberg eben mit dem Kosaken geteilt hat, an Herrn Goethe. Und Herr Goethe hat dieses kleine Stückchen Brot, offensichtlich wirklich als Kuvosität, oft bewahrt, im Jahre 1880. 1819, habe ich 1813 gesagt? Dann meine ich natürlich 1819. Da ist aber nur die Eintragung. Der Krieg hat natürlich 1813 stattgefunden. Und das muss auch 1813 gewesen sein. 1819 waren dann wohl keine Kosaken mehr.
Marcus
00:12:17
Also der Sohn war ein Kosake. Der war im Krieg.
Thomas
00:12:25
Gegen Napoleon, 1815 ist der Russland-Weltzug, der geht ja bekanntlich ziemlich in die Hosen, mit katastrophalen Folgen für ganz viele. Es kommt dann zum Aufstand der bisher im Bündnis mit Napoleon festhaltenden Staaten, die noch da sind, zu einem allgemeinen Aufstand. Und 1813 marschieren dann die versammelten Heere Russland, Preußen, Österreich. Befreiungskriege sind das, noch die Eckländer rüsten sich. Mabulian ist dann sozusagen mit dem ganzen Kontinent konfrontiert und versucht das dann in Leipzig abzuwehren, stellt ein neues Heer auf, wird dann aber eingeschlossen in der Stadt Völkerschlacht von Leipzig im Oktober. Das kämpfen auch die Schweden und auch ein Kontingent der Engländer mit, übrigens einer der ersten Raketeneinsätze in der Kriegsgeschichte. Die Engländer verwenden schon Raketen. Und ja, also eine ganz turbulente Zeit.
Marcus
00:13:21
Und einer der Soldaten war dieser Junge.
Thomas
00:13:24
Und einer dieser Soldaten in diesen Befreiungskriegen, in den gegenfranzösischen Kriegen, war dieser Kossake. Wir wissen nicht, wer er heißt, wir wissen nicht. was aus ihm geworden ist. Okay, und nur um es nochmal zu verstehen,
Marcus
00:13:39
und der hat irgendwo, wo er da im Krieg war, hat von seiner Mutter ein Paket bekommen?
Thomas
00:13:46
Genau, offensichtlich ein größeres
Marcus
00:13:48
Paket, das sie aus Kasan eben. Und mit der ganzen Erklärung, Hochzeit und all, was alles passiert ist.
Thomas
00:13:54
Genau, der erfährt sozusagen die ganze Lebensgeschichte
Marcus
00:13:57
den Bund des Vaters, er war ja offensichtlich
Thomas
00:13:58
jahrelang weg, sehr lange weg jedenfalls, und
Marcus
00:14:04
Und dieser Schreiber, der Herr Urban?
Thomas
00:14:07
Ja, ein D.Urban und das D ist meistens in dieser Zeit die Abkürzung für einen Doktor. Ich erkenne ihn nicht, ich habe ihn nicht gefunden, ich habe ihn noch nicht recherchiert. Jetzt in der Datenbank, weil er auch...
Marcus
00:14:22
Wie kommt der jetzt, das habe ich noch nicht verstanden, wie kommt der jetzt an dieses Brot von dem Jungen?
Thomas
00:14:27
Genau. Also der war eben in Kreuzburg und da hat dieser junge Kosacke wahrscheinlich mit seinen Kameraden, wo er da stationiert war, festgeführt, meistens waren die ja einquartiert. Das heißt, es war der Bürgerschaft zugewiesen, wie viele du aufnehmen musst. Ah, okay. Und es waren ja Häuser, war ein Privileg ausgenommen von der Einquartierung. Das war ein besonderes Privileg. Andere haben sich diese Einquartierung gewaltsam verschafft. Wir wissen natürlich in dem Fall nichts darüber. Und ja, der war da drinnen. Und da kam der eben vorbei, der Herr Dr. Urban vorgelegt. und russische Gastfreundlichkeit wahrscheinlich feiern, da werden da alle
Marcus
00:15:31
eingeladen, kennt man. Achso, der Dr. Urban ist dann wieder vorbeigekommen, er war jetzt keiner von denen, die da irgendwie ein Haus hatten und die aufnehmen mussten. Ja, im Zettel steht, Geschäfte, die
Thomas
00:15:43
mich in das Haus führten, haben gelegen. Dass ich mit beiwohnen musste. Herr Urban hat selber 15 Stück solchen Brotes geschenkt bekommen, also sehr freizügig. Und von diesen 15 kam er ein kleines an Goethe.
Marcus
00:16:21
Die genaue Begründung, warum schickt man sowas jetzt dem Herrn Goethe? Also du hast ja schon mal erzählt, man hat Goethe gerne mal was geschickt, um sein Autograf oder sein Autogramm zu bekommen. Okay, und...
Thomas
00:16:35
Ich bin ja in Kontakt mit ihm zu kommen. Er war eine Institution. Ich weiß nicht, wie gesagt, ob sich die beiden gekannt haben, ob das ein Versuch war, sich kennenzulernen. Das wäre noch further investigation, unnecessary sozusagen. Aber ja, das ist eben eine Gelegenheit dazu. Das ist auch nicht so weit weg von Weimar. Es liegt ja im Herzogtum Weimar-Eisenach und... Mehr wissen wir nicht. Mehr weiß ich nicht, genau. Und wissen wir auch nicht. Aber so kann man vielleicht, wenn das erhalten bleibt, oder könnte man heute, aber kann man in künftigen Jahrhunderten herausfinden, wie denn in Russland zur Zeit der Napoleonischen Kriege Brot gebacken wurde, welche Spurenelemente, welche Mineralstoffe, welche Fragen man an solche Objekte immer stellen kann.
Marcus
00:17:33
Ja.
Thomas
00:17:33
Das kann man hier stellen und das finde ich ganz interessant, das alles unter der Ägide, unter dem Namen von Goethe. Wieso schickt man bitte jemand ein Stück Brot?
Marcus
00:17:44
Ich weiß es nicht. Ja. Das ist schon, ja, das ist strange.
Thomas
00:17:49
Ja, vielleicht ist es wirklich strange. Andererseits, wir leben ja in einer Zeit, wir leben ja in einer Zeit der Geschenkkultur und der Gaben und Gegengaben, der Briefe und Gegenbriefe, der Vernetzungen, Korrespondenzen. Es ist nicht anrührig, Herrn Goethe, selbst bestickte Husenträger zu schicken. Vom Rheinland. Ja, als Geschenk. Die sind erhalten, die sind ausgestellt. Das schaut ein bisschen spießig aus, wenn ich das mal... Ich hoffe, es hört jetzt niemand von der Stiftung mit, weil man gleich in der Dauerausstellung auf diese Husenträger stößt. Ja, ja. Goethes Hosenträger. Naja, es wirkt ein bisschen altväterlich. Ich glaube nicht, dass sie da jemals getragen hat. Das ist einfach eine Gabe und damit zeigt man, dass man...
Marcus
00:18:37
Okay, aber ein Stück Brot. Bei Hosenträgern
Thomas
00:18:43
könnte ich vielleicht auch nach,
Marcus
00:18:44
aber ein Stück Brot.
Thomas
00:18:45
Ich weiß es nicht, ich habe noch nie Hosenträger geschenkt bekommen oder geschickt bekommen.
Marcus
00:18:49
Vielleicht bin ich so weit weg von dem Leben von vor 200 Jahren. Das Brot eine komplett andere Bedeutung hat, aber die Begründung, die er irgendwie, hattet ihr eine Begründung?
Thomas
00:19:01
Ja, wenn man das so will, ich glaube dieses Backwerk gehört wegen der Entfernung, wo es gebacken wurde, zu den größten Seltenheiten für die hiesige Gegend. So bin ich, so frei, euer Exzellenz. aufzuwarten, untertänigst, mit einem Stück. Okay.
Marcus
00:19:20
Okay, die hat einfach einen langen Weg zurückgelegt.
Thomas
00:19:22
Die hat einen langen Weg zurückgelegt. Und naja, nicht vom anderen Ende der Erde, aber es ist ja weit weg. Wir haben ja viele Stücke, die von wie weiter kommen, in der Goethe sammeln. Aber ein Stück Bruder, also ein Lebensmittel, Ich finde es noch kurioser, als dass man das schickt, finde ich, dass man es aufbewahrt.
Marcus
00:19:47
Aufbewahrt? Ja.
Thomas
00:19:49
Warum hat das Goethe aufbewahrt? Ich weiß es nicht.
Marcus
00:19:51
Gibt es keine, okay. Nein.
Thomas
00:19:53
Wo hat man es denn gefunden eigentlich? In der Sammlung.
Marcus
00:19:57
Also wo? In der Sammlung?
Thomas
00:19:58
Ich habe das übernommen. In der Sammlung liegt es in einer Schublade, verpackt natürlich von den Kustoden, Vorgängergenerationen, sorgsam gehütet. Und wenn sich mal ein Forschungsprojekt dazu findet oder jemand... Nein. eine Dissertation Brot bei Goethe schreiben möchte, naja, warum nicht? Im Werk und kann man auch in die Sammlung gehen, würde man nicht auf die Idee kommen. Naja, Essen bei Goethe oder Essen in der Zeit um 1800 sind doch eigentlich spannende Fragen.
Marcus
00:20:30
Also ich finde es kurioser, dass man das schickt, als dass man es aufbewahrt, weil wenn jemand so ein Sammler ist wie Goethe, Da wirfst du nichts weg, weil du es so geschickt bekommst, würde ich mal so sagen.
Thomas
00:20:45
Kann sein, aber eigentlich muss man sagen, Sammeln war kein Selbstzweck, sondern Sammeln war ein wissenschaftlicher Zweck, Anschauung, Lernen. Also was konnte Goethe oder was kann man aus einem Stück Brot lernen? Ich weiß es nicht. Vielleicht hat Goethe da auch dann abgebissen. Ich weiß es auch nicht.
Marcus
00:21:02
Auch DNA-Spuren.
Thomas
00:21:04
DNA-Spuren hat er gekostet dann... Das ist jetzt alles eigentlich sinnlose Spekulation.
Thomas
00:21:11
Aber wir wissen es nicht, was ihn so daran interessiert, dass er es einfach nicht dann behalten hat.
Marcus
00:21:17
Na gut. Schön. Was ein Ding. Ein Stück Brot. Dann hast du noch ein paar Überraschungen für mich.
Thomas
00:21:59
Ja, ich dachte, wir machen jetzt drei Objekte, also eines haben wir jetzt behandelt mit dem Brot. Ich habe jetzt so Dinge wie ein riesiges Vogelnest ausgelassen. Man vermutet wahrscheinlich nicht, oder wenn man sich die Frage selber stellen sollte, hatte Goethe ein Vogelnest? Ja, Goethe hatte ein Vogelnest. Goethe hat auch Wespennester besammelt. Warum auch immer, wir wissen es nicht. Die sind einfach toll.
Marcus
00:22:29
Ich habe mal selber versucht.
Thomas
00:22:30
Die, die Goethe gesammelt hat, nicht mehr so.
Marcus
00:22:34
Achso, naja.
Thomas
00:22:35
Ziemlich zerfallen. Es gibt ein tropisches Wespennest, das finde ich interessant. Aber das wollte ich jetzt gar nicht reden. Ein tropisches oder zumindest aus dem Mittelmeergebiet, den verschen nicht aus Mitteleuropa. Dass man mal bestimmen sollte von einem Wespenfachmann, welche Wespengruppe, welche Wespengattung solche Nester baut. Gleich mit dem Stück Ast, an dem es aufgehängt wurde, Papierwespennest, aber in einer ganz komischen Form.
Marcus
00:23:03
Ich hatte mal ein wirklich großes Hornissen-Nest.
Thomas
00:23:09
Mhm.
Marcus
00:23:11
vom Dachboden. Schön auch so rund,
Thomas
00:23:15
wie man sich das so vorstellt.
Marcus
00:23:17
Und da haben wir noch in Bonn gelebt und wollte ich irgendwie präparieren, aufbewahren, weil es einfach so toll ist. Vielleicht noch irgendwie eine Ecke rausschneiden, damit man mal reingucken kann und all dieser ganze Kram. Und habe dann da im Museum König mal nachgefragt, im Naturkundlichen Museum. Und die haben mir dann geraten, tu es erst mal in irgendeine große... Gefrierbox, um alles mal abzutöten, was da noch so drin ist. Und dann muss das mit Haarspray oder Haarlack einsprühen, dann wird es ein bisschen fester. Ich wollte das irgendwie in so einem Aquarium-artigen Glasbehälter dann irgendwie aufbewahren. Das Ding war so groß, ich sag mal 50 Zentimeter Durchmesser, hatte das bestimmt. Und hab's dann tatsächlich bei denen im Museum unterbringen können in der Gefriertruhe, weil ich keine so große Gefriertruhe habe ich nicht und haben die freundlicherweise dann übernommen von mir und ich hab's dann irgendwann abgeholt. und wollte dann das Aquarium kaufen. Ich bin in den Baumarkt, habe ein Aquarium gekauft. Auf dem Rückweg ruft mich meine Frau an. Die hatte zu der Zeit so einen Sitzball, so einen großen, und war schwanger und hat den oft benutzt. Hat ihn dann irgendwie mal benutzt und hat ihn dann aber ein bisschen Gedanken verloren, im Zimmer einfach so weggestoßen. Der hüpfte so vor sich hin. und fiel genau auf dieses Nest.
Thomas
00:24:51
Das war es dann.
Marcus
00:24:53
Das war es dann leider, weil die sind ja so fein und so zart und dann so ein großer Sitzball, der da drauf fällt. Das war dann leider kein... Also ich konnte dann das Aquarium wieder direkt zurückbringen. Also es wäre cool gewesen, aber egal. Gut. Wie ist es jetzt mit Goethe? Was hast du da?
Thomas
00:25:19
Ja, ich habe da jetzt was, was ein bisschen, was noch kurioser ist, was eigentlich grenzwertig ist, muss ich sagen. Ich habe da jetzt das Ding auch vor mir liegen. Es ist eine Kinderhand. Ja. Eine mumifizierte Kinderhand. Wollen wir das rausschneiden?
Marcus
00:25:49
Moment, jetzt eine mumifizierte Kinderhand. Ja, genau. Ich will es gar nicht so genau beschrieben haben, aber da muss man erst fragen, wieso? Wieso hat Goethe sowas?
Thomas
00:26:03
Ja, also Goethe hat ja eine Sammlung von anthropologischen Objekten, also den meisten Schädeln, Menschenschädeln.
Marcus
00:26:11
Okay.
Thomas
00:26:12
Ganz wenige andere Knochenteile von Menschenschädeln, die in das Umfeld seiner... Die Beschäftigung einerseits mit Zwischengieferknochen fallen, andererseits aber auch in die Beschäftigung mit der Phrenologie, also dieser Vorstellung, dass man aus dem Schädel, aus dem genaueren Bau des Schädels erkennen kann. welche Eigenschaften der Träger, der ehemalige Träger hatte, welche Dellen, Buchtungen und so weiter, wie das Franz Josef Gall gelehrt hat, mit dem Goethe auch bekannt war. Also es gibt diesen Kontext. Goethe hat sich auch interessiert sehr für Anatomie, hat auch selber seziert in den 1794 ungefähr, in den 1790er Jahren in Jena, mit Loder gemeinsam. Wilhelm von Humboldt war da auch zum Teil dabei. Und dieses Objekt hier hat nichts damit zu tun. Das ist ebenfalls eine Sendung, die mehr oder weniger ungefragt hier gelandet ist. Die ist nämlich gestammt aus Bremen, höchstwahrscheinlich aus dem dortigen Bleikeller. Wo es ja eine ganze Sammlung, ich war noch nie dort, muss ich sagen, eine ganze Sammlung von numifizierten Menschenkörpern gibt. Und ein Objekt wurde Goethe geschickt von einem Arzt, einem Mediziner Nikolaus Mayer im Jahr 1804. Und das hat Goethe bekommen, einen menschlichen Finger eines Erwachsenen und eine Kinderhand bekommen. mumifiziert, ganz trocken, grau. Ja, Fett war nicht ganz zwölf Zentimeter lang und auch ein bisschen gekrömmt, sehr schmal und zart. Wie alt? Das ist ganz schwierig zu sagen.
Marcus
00:28:02
Eher so zwei, drei oder sechs, sieben?
Thomas
00:28:05
Nein, ja, also wahrscheinlich sogar älter, acht bis zehn würde ich sagen. Aber wenn das Fleisch weitgehend schwindet, kann das auch genauer hinausgehen. Und was diese Herren noch Besonderes hat, sie hat ein Etikett. Es ist ein Etikett auf ihr angeklebt, das man nicht mehr lesen kann. Es ist ein Goethe-zeitliches, eindeutig ein Goethe-zeitliches Etikett. Und es ist abgeschnitten zum Unterarm hin, nur ein Stückchen dieses Unterarms, aber die Knochen sind offensichtlich entfernt worden. Das ist ein bisschen verdrillt, kann man fast sagen, die Haut, die da noch dran ist. Aber was den eigentlichen Bereich der Hand trennt von... diesem abgeschnittenen Hautbereich, der äußerste distale Unterarmsparty, ist ein Nagel, da ist ein Eisennagel durchgeschlagen worden. Ich frage mich nicht, warum. Ich weiß es nicht. War das mal irgendwie als Modell oder als Skulptur, wie das Herr Hagen da macht, in einem religiösen Kontext ich weiß es nicht, wir wissen es nicht wir kennen zwar die Briefe den Dankesbrief den August von Goethe der Anna Nikolaus Mayer geschrieben hat und auch im Briefwechsel mit Goethe Frau Christiane kommt das vor ich habe jetzt die Briefstellen aber nicht rausgesucht Ich finde das ein ziemlich grenzwertiges Objekt, auch weil es keinen wirklich wissenschaftlichen Sinn hat. Götter hat meines Wissens nichts dazu gefunden, auch nicht darüber geschrieben. Das hat auch keine wissenschaftliche Bedeutung. Es ist wie jedes Stück Brot erhalten geblieben.
Marcus
00:29:55
Ja. Aha. Kannst du gerade noch mal ein bisschen was zu dieser Kammer in Bremen sagen?
Thomas
00:30:02
Da weiß ich auch nicht viel drüber, das wäre jetzt improvisiert. Es bleibt nicht durch ein Wunder erhalten, sondern durch den Luftzug, die Trockenheit und gute Durchlüftung des Harms, der Bleikeller am Dom zu Bremen. Das Blei liegt ja dort, weil das Dach erneuert wurde oder wird im 16. bis 18. Jahrhundert der Zeit ungefähr. Und da sind eben auch Mumien gelagert, das ist ja jetzt kein besonders... Wie soll ich sagen, außergewöhnliches Phänomen, das findet sich an vielen Orten.
Marcus
00:30:43
Ich erinnere mich.
Thomas
00:30:44
Genau. Also nicht mehr der trockene Wüstensand in Ägypten oder in den Anden, dass das Hochlandklima führt zu solchen oder auch das Wüstenklima in Peru, an den Wüsten führt dazu sowas. Es gibt es in Mitteleuropa auch, häufiger als man denkt, aber auch ein kümmeres Beispiel, Wo man auch noch durchgehen kann, da konnte man wahrscheinlich auch noch kann, das ist Palermo, diese Kapuzinerbegräbnisstätte, wo man durch die Katakomben geht und da hängen die Toten, die getrockneten Toten, Mönche runter. Und ich erinnere mich noch, vor vielen Jahren konnte man auch in Wien noch in der Michaelerkirche in die Katakombe untergehen und hat dort auch noch einen Blick auf mumifizierte Tote werfen können, die eben auch durch diese trockene Zugluft konserviert waren. Ich hatte noch eine schwangere Tote im Kopf, also vor Augen im inneren Bild. Also das ist dann schon eine eigenartige Welt, aber eben nicht so selten, wie man denkt. Und das ist auch hier passiert. Wir wissen natürlich auch nicht, von wem das ist, wer das ist, warum das so ist. Aber es ist ein, finde ich, ich weiß nicht, wie du das siehst, ein richtiges Kuriosum in einem... Ja, grenzwertigem Sinn, glaube ich, muss man klar sagen. Okay. Ich weiß nicht, ob es etwas bringt, das jetzt irgendwie nachträglich damit anders umzugehen oder das eben so beizubehalten aufgrund seiner Geschichte,
Marcus
00:32:25
das sich eine Diskussion wehrt. Das liegt bei euch dann auch in einer Schublade?
Thomas
00:32:33
Das liegt mit den anderen Objekten. Und mit den Menschenschädeln natürlich in den entsprechenden Fächern, wie in jeder anderen atomischen Sammlung auch.
Marcus
00:33:30
Okay. Okay.
Thomas
00:33:32
Yeah. Yeah. Okay. Gut, da habe ich jetzt ein bisschen die Stimmung gegeben.
Marcus
00:33:38
Die Stimmung ist auf dem Tiefpunkt.
Thomas
00:33:41
Ich weiß nicht, ob das kommende und letzte Objekt in den letzten Ausführungen uns da wieder rausreißen. Es ist nämlich auch etwas ziemlich Abgefahrenes und seltsames. Weniger als Objekt selbst. Ich meine, das kann man ja kaum mehr toppen. Ja. menschliche Überreste, Human Remains und Essensreste, naja. Aber es ist so kurios, dass ich es eigentlich ja
Marcus
00:34:13
nicht... Du wolltest es uns nicht vorenthalten.
Thomas
00:34:16
Nicht vorenthalten möchte, das hast du schön formuliert, ja genau. Es ist ein Teller, ein Teller Goethes, Und dieser Teller, das ist das erste Curiosum, enthält sandartige Erde. Es ist ein mit grauer Erde gefüllter Teller. Und dieser Teller stand und steht seit 200 Jahren in Goethes Arbeitszimmer.
Marcus
00:34:47
Okay, wie groß ist der Teller?
Thomas
00:34:50
So wie unsere ganz normale Estteller.
Marcus
00:34:52
Ja, noch so flach?
Thomas
00:34:53
Der ist auch so flach. Das ist kein Subteller, das ist ein Estteller. Und der ist fast durchgehend mit Sand gefüllt. Okay. Doch nichts geschützt, also nicht Sand. Sandartige Erde, es ist grau.
Marcus
00:35:05
Ja.
Thomas
00:35:06
Es ist eben eigentlich kein Sand. Wir haben Wissenschaftler von der FU... von der FU Freiberg hier gehabt, die sich das angesehen haben, was denn das sein könnte. Weil wir gedacht haben, das könnte ja was richtiger Sand sein. Also es hat aber keine Silikat Anteile. Es ist ja staub staubige Erde eigentlich, ist also nicht zum Schreiben und zum Abtrocknen der Tinte irgendwie verwendet worden. Könnte ja sein. Dann haben wir auch gedacht, könnte was mit Vulkanismus zu tun haben. Könnte vielleicht vulkanische Sandproben, Ascheproben, was auch immer das genau ist. Es ist wirklich grau, nicht braun wie Erde. da versammelt, gesammelt oder untersucht und so weiter. Nein, ist es auch nichts. Es hat da nichts nachweisbar Vulkanisches, was Goethe natürlich auch sehr interessiert hätte. Es wäre eine Möglichkeit gewesen. Es ist ja so grau wie diese Asche, Regen, Wolken, hätte man sich schon vorstellen können,
Marcus
00:36:08
die Konsistenz, ist das alles fest oder ist das total weich?
Thomas
00:36:14
Es ist wie Staub. Also wenn der jetzt jemand stark niest, ist die Hälfte davon weg.
Marcus
00:36:20
Und das hat 200 Jahre überstanden, ist ja krass. Das ist doch der Wahnsinn.
Thomas
00:36:24
Es hat Weltkriege überlebt und Putzfrauen überlebt. Du brauchst nur einmal ankommen und das Welt runter und Du kannst das nie wieder zusammenkehren. Es hat nicht nur 200 Jahre überlebt, sondern es steht seit 200 Jahren an derselben Stelle. Das Inventar des Arbeitszimmers wurde während des Zweiten Weltkriegs in Sicherheit gebracht. Da wurde es weggestellt, aber mit diesem Sandteller, während Räufschlein in Schutt und Asche fiel, wurde dieser Teller in irgendein Bergwerk gebracht oder in irgendein sicheren Ordenbergwerk vielleicht nicht. wie die anderen Möbel, aber auf jeden Fall an einem sicheren Ort und hat das alles überlebt.
Marcus
00:37:08
Wie muss man sich das denn vorstellen? Also der muss ja da gestanden haben, auch als Goethe dann starb und dann war das Arbeitszimmer in dem Zustand, in dem er halt dieses Arbeitsthema verlassen hat.
Thomas
00:37:23
Ja.
Marcus
00:37:24
So, und dann ist der Meister tot und dann überlegen die Leute, was machen wir jetzt? So, lassen wir erstmal alles so, wie es ist, wie das immer so ist und dann...
Thomas
00:37:31
Die haben das gar nicht überlegt, sondern das war strategisch. Also, Güte war gestorben und es wurde verschlossen. Der innere Bereich, Schlafzimmer, manche nennen es auch Sterbezimmer oder früher hat man es so genannt, Schlafzimmer, Arbeitszimmer, Bibliothek und auch das Vorzimmer wurden sozusagen gesichert, verschlossen. Es kamen vier Herren. Und der Innen Eckermann, Riemer war dabei und andere Sekretäre, engster Kreis und haben Lade für Lade, Ort für Ort, Schreibtisch für Schreibtisch alles aufgenommen. In wochenlanger Arbeit kamen immer wieder, was da drinnen ist. Haben das beschrieben, jeden Schrank, daher wissen wir, was Ende März 1832 im Arbeitstimmer genau wo stand. Und das Ähnliches gilt für... Die anderen Bereiche, die sind nicht so akribisch, aber doch auch akribisch aufgenommen. Einige Bibliothek dann weniger.
Marcus
00:38:29
Und der Teller stand wo?
Thomas
00:38:31
Der Teller stand auf einem kleinen Schreibtisch am Südende vor dem linken Fenster am Tag, an dem Goethe starb.
Marcus
00:38:39
Okay.
Thomas
00:38:41
Und mit diesem Tag ist alles eingefroren in der Zeit. Dieser Teller ist da stehen geblieben und stand da bis jetzt, bis heute.
Marcus
00:38:52
Das ist krass.
Thomas
00:38:54
Ja, und wir fragen uns warum. Also nicht warum der so stand, wir fragen uns warum der Teller am 22. März 1832 stand. Wer stellt denn bitte einen Teller mit sandartig, ascheartigen, grauen Dingen dorthin? Musik
Marcus
00:39:37
können nicht genau sagen, was das führen. Musik Musik
Thomas
00:39:39
Die könnten uns leider nicht weiterhelfen. Musik Es ist jetzt, wenn ich sage, ein Privathobby von mir geworden, dieses kuriose Ding da. Und ich habe natürlich, wie Sie es gehört für einen Wissenschaftler, eine Theorie.
Marcus
00:39:51
Ah, okay. Bitte.
Thomas
00:39:57
Naja, ich habe mich gefragt und ich bin dann auch beim Lesen und damals im Umkreis auf die Idee gekommen, Wir müssen uns fragen, wann ist Goethe gestorben? Ende März. Goethe hat noch in den letzten Wochen seines Lebens mit den Gärtnern Pläne gemacht, und deswegen glaube ich, dass die Lösung sehr trivial ist, Pläne gemacht, was die zukünftigen Gartenarbeiten sein sollen. Okay. Und das ist schriftlich auch festgehalten worden. Da kamen die Gärtner zu ihm und die haben das besprochen, was da im März, April zu machen ist. Wie wahrscheinlich ist es, dass der in einem irgendwo improvisierten, schmucklosen Ding auch ein paar Hürzinten oder ein paar Knollengewächse da mitgebracht hat, die vorgelegt hat, wollen wir die noch pflanzen, an den Teller entweder stehen hat lassen oder mehrere mitgebracht hat. Diese Dinger sind verwelkt, sind vergangen, das ist organisches Material. Die Erde, die an den Dingern dran war, ist aber erhalten geblieben und hatte 200 Jahre Zeit auszutrocknen, sodass sie fast zu Stau wurde. Und im Prinzip, und das glaube ich, ist die wahrscheinlichste Erklärung, ist das ein Teller gewesen mit Kokussen, mit irgendwelchen Zwiebelpflanzen, die Gärtner ins Haus gebracht haben und der dann da vergessen wurde in diesem Trubel,
Marcus
00:41:26
beziehungsweise der dann nicht mehr abgerannt wurde, weil er eben da war, wurde er protokolliert. Für mich hörte sich das jetzt so an, als wäre irgendwie dieser ganze Teller, Bedeckt mit dieser Erde? Ich weiß nicht, gleichmäßig oder wie komplett oder nur in der Mitte?
Thomas
00:41:45
Fast gleichmäßig, fast gleichmäßig. Man sieht ein paar weiße Stellen, aber es sind kleine staubförmige und ein paar größere Bröckchen drinnen.
Marcus
00:41:55
Schaut aus wie Mondasche. So fein.
Thomas
00:42:03
Das ist sehr fein. Deswegen muss man vorsichtig sein.
Marcus
00:42:06
Aber müssten da nicht irgendwelche pflanzlichen Reste übrig bleiben?
Thomas
00:42:10
Vielleicht hat man die entsorgt. Vielleicht war das doch so sinnvoll, dass man da diese verdorrten, nicht gegossenen Knollen oder Zwiebeln.
Marcus
00:42:23
Die Stelle am Fenster?
Thomas
00:42:25
Die Stelle am Fenster würde darauf hindeuten, auch dass es im März war, dass dieser Gärtner da war. Was könnte noch drinnen gewesen sein? Was könnte noch
Marcus
00:42:37
Spontan habe ich erst mal natürlich, dachte ich, irgendwas mit Geologisches. Ich auch, natürlich. Angesichts der riesigen Sammlung, dass er sich ein bisschen von dieser Erde auf dem Teller verteilt hat, um es sich dann später mal genauer anzugucken.
Thomas
00:42:54
Wir haben in der Sammlung, auch in der Geosammlung, Pigmente in offenen Tiegeln rumstehen, Sande, seifiges Material, also geologisch sind es seifiges, Sande, die auch in Papiertüten sind. Also das wäre schon naheliegend, aber wenn das wirklich jetzt eigentlich kein richtiger Sand ist, wenn das letztlich nur Erde ist, nur, wenn das in Form eines Tellers dasteht, das ist eine ungewöhnliche Form der Aufbewahrung. Es ist einfach ein normaler, einfacher, sehr einfacher Essteller. Ja.
Marcus
00:43:30
Haben Sie das mal unter dem Mikroskop geguckt?
Thomas
00:43:32
Unter der Lupe oder so? Wir haben das mit dem Mikroskop, also mit der Lupe angesehen, mit einem starken Vergrößerungsglas. Du siehst da nicht viel mehr. Wenn man das am Boden streut, würde das keine Menschen auffallen. Jetzt würde der Wind wahrscheinlich beim Streuen schon die Hälfte wegwehen, weil es so wirklich fein ist.
Marcus
00:43:49
Okay.
Thomas
00:43:50
Und ich glaube, dass manchmal so eine triviale Lösung...
Marcus
00:43:55
Ist immer wahrscheinlicher.
Thomas
00:43:57
Also jetzt nicht ganz unwahrscheinlich. Vielleicht ist es nichts Hochfahrendes, nichts Besonderes, sondern nur das. Aber natürlich... Sind wir bereit, da hier auch Gegenthesen oder alternative Thesen freudig anzunehmen, wenn irgendjemand da eine gute Idee hat?
Marcus
00:44:18
Wenn unter den Hörern jemand ist, der dazu eine Idee hat oder eine These oder was auch immer. Oder, ich weiß nicht, vielleicht gibt es ja auch Leute, die sich, ich meine, könntest du oder macht dir sowas? Nehmen wir an, da meldet sich jetzt irgendein, weiß ich nicht, Geologe, also aus dem wissenschaftlichen Bereich, der sagt, ja, fände ich ja spannend, könnten Sie mir mal eine kleine Probe schicken?
Thomas
00:44:44
Naja, könnten Sie mir mal eine kleine Probe schicken, würde ich jetzt natürlich nicht so machen. Ich meine, Das Aufbewahren ist ein Kernziel. Wir wollen das ja... Wir können da keine Proben so schnell verschicken.
Marcus
00:45:04
Was man sich
Thomas
00:45:05
sicher vorstellen kann, ist, dass man Also das überlegt hier vor Ort, was könnte das sein, mit welchen Methoden könnte man da rangehen. Invasive Methoden sind immer problematisch natürlich, sind Naturwissenschaften. Andererseits geht es nicht ohne, das ist uns allen klar. Schwierige Frage.
Marcus
00:45:28
Erst wenn man es genau weiß, was das ist. das hilft einem vielleicht weiter.
Thomas
00:45:33
Das stimmt, die Frage ist auch, ob sich der Aufwand lohnt. Vielleicht ist es wirklich nur so trivial und dann kommen wir darauf, mein Gott, das ist Gartenerde.
Marcus
00:45:40
Da weiß man es halt.
Thomas
00:45:43
Und das ist das Rätselslösung.
Marcus
00:45:45
Ja, mein Gott. Welche Rätsel da so rumliegen? Also das Problem ist, sobald man anfängt, darüber nachzudenken, dann könnte man ja Tage mitverbringen.
Thomas
00:46:07
Du kannst noch viel länger damit verbringen. Vielleicht kann man auch Erkenntnisse daraus ziehen, wie Gartenerde vor 200 Jahren, also welchen Bestandteilen die beschaffen war, ob sich das von heute unterscheidet. Ich habe keine Ahnung, welche Fragen die Zukunft und die Wissenschaft der Zukunft daran stellen wird können. Ob man da andere Schwermetallgehalte, also geringere, feststellen kann oder ganz andere Fragen stellen, die wir uns gar nicht vorstellen können. Und das ist ja das Tolle an der Welt. naturwissenschaftlichen Sammlungen, also an Sammlungen, an Objektsammlungen, dass du das aufbewahrst, ja nicht nur aus Verehrung für die Vergangenheit. Nein, also ja, das hat auch sicher einen Wert, aber ich glaube, ein genauso wichtiger Wert ist es, etwas zu erfahren und etwas bereitzustellen für die Zukunft. Wenn wir uns vorstellen, welche Methoden vor 30 Jahren und heute in den Naturwissenschaften möglich sind, das ist so ein Sprung. Da hätte man niemals sich denken können, dass man Herkünfte genetisch anführen kann, Krankheiten, Altersbestimmungen, komplizierteste Dinge, einwandfrei, die Verwandtschaftsbeziehungen in Gräberfeldern, Isotopen-Untersuchungen in Zähnen, wo kommt jemand her? Wer hätte sich das vorstellen können, genauso wie Bandenmuster in den frauenhofischen Linien und so. verraten, aus welchen Elementen Objekte bestehen oder leuchten, die Milliarden Lichter entfernt sind, wer hätte sich das Anfang des 19. Jahrhunderts vorstellen können, dass sowas möglich ist. Und solche Objekte erlauben das. Wir können Untersuchungen machen und die Zukunft kann Untersuchungen machen, die wir uns gar nicht vorstellen können.
Marcus
00:47:57
Okay.
Thomas
00:47:59
Das waren drei Rätsel. Aha, echt verrückt. Schöne Sachen. Drei Kuriosa. Jetzt stelle ich den Teller schnell wieder zurück, damit er mich auch unterlebt.
Marcus
00:48:13
Genau, nicht dass nachher der Kühlschrank hat. Der ist hinter Glas natürlich. Glas geschützt. Jetzt auf deinem Schreibtisch steht der da?
Thomas
00:48:25
Ja, aber auch geschützt natürlich.
Marcus
00:48:27
Unter Glas?
Thomas
00:48:28
Mhm.
Marcus
00:48:28
Aha. Ja gut, könnte trotzdem runterfallen, weil du stolperst. Gottes Winn. Berufsrisiko.
Thomas
00:48:39
Naja, ich habe die Garantie in dem Fall nicht zu stolpern. Also das... Okay. Das wird mit Handschuhen und vorsichtigst gemacht.
Marcus
00:48:50
Ja, ich bin schon gespannt. Wie gesagt, irgendwann komme ich auch wieder mal vorbei. Dann würde ich den gerne mal so sehen.
Thomas
00:48:58
Ja, selbstverständlich.
Marcus
00:48:59
Also ein staubgrauer, mondstaubartiger.
Thomas
00:49:02
Und wenn wir das Rätsel gelöst haben, beziehungsweise wenn... das Arbeitszimmer, diese einige Objekte sind ja zur Untersuchung entfernt worden, natürlich wieder dorthin gestellt werden und wieder weiterhin dort in den nächsten Jahrhunderten, wenn denn das Arbeitszimmer
Marcus
00:49:17
so lange existieren sollte,
Thomas
00:49:19
weiter dort stehen.
Marcus
00:49:20
Es ist die Wahrscheinlichkeit ja fast größer als vorher, weil
Thomas
00:49:25
Das ist schwierig zu sagen. Also wissen wir, wie lange unsere Zivilisation in Europa...
Marcus
00:49:31
Na gut, klar.
Thomas
00:49:35
Aber bisher hat er wirkliche Katastrophen überstanden. Der Staub, der Erdenstaub, vielleicht ein schönes Symbol auch. Du bist aus Staub und aus Asche bist du gemacht.
Marcus
00:50:09
Das war Folge 16 des Goethe-Podcasts Natur und Geist mit Thomas Schmuck und Markus Anheuser. Alle Infos zur Folge findet ihr wie immer in den Shownotes. Wenn ihr Fragen, Anmerkungen, Lob oder Kritik habt, könnt ihr das alles in den Kommentaren auf der Podcast-Seite bei Spotify oder Apple Podcast loswerden. Zuletzt gab es ein paar sehr schöne Kommentare. Das tut gut und zeigt uns, dass es da draußen doch ein paar Menschen gibt, die das Thema interessiert. Gerne mehr davon. Wenn euch der Podcast gefallen hat, hinterlasst uns ein paar Sterne. Das hilft uns beim Algorithmus und wir werden bekannter. Wir hoffen natürlich, dass es euch gefallen hat und freuen uns, wenn ihr das nächste Mal wieder mit dabei seid. Bis dahin, alles Gute. Bis zum nächsten Mal.

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